Kambodscha

Nachdem ich Vietnam verlassen und einen kurzen Zwischenstopp in Bangkok eingelegt hab, führt mich meine Reise in das sehr arme Kambodscha.
Arm ist dieses Land vor allem in zweierlei Hinsicht: Materiell ist Kambodscha eindeutig ein Entwicklungsland indem das durchschnittliche Einkommen 50 Euro im Monat kaum überschreiten dürfte, arm aber auch wegen seiner Geschichte. Es sind gerade mal 30 Jahre seit dem Pol Pot Regime – oder besser bekannt als die Roten Khmer – ins Land gezogen, das das Land tyrannisiert und beinahe alles kulturelle und traditionelle zerstört hat. Natürlich mal überhaupt abgesehen von den unzähligen Massenmorden und den tausenden Verbrechen gegen die Menschlichkeit die dieses Regime begangen hat. Eine Vergangenheit mit der das Land heute noch kämpft und dessen Wunden sehr präsent sind. Dutzende Menschen teilweise ohne Arme und/oder Beine die auf den Straßen herum hängen und auf die Gaben der Wohlhabenderen angewiesen sind, gehören dem üblichen Bild von Kambodscha an.
Fast jeder dem ich darauf gesprochen habe wusste von Angehörigen oder Verwandten berichten die umgebracht oder misshandelt wurden, nicht selten waren es jedoch ganze Familien die ausgerottet wurden. Über die genauen Zahlen der ermordeten Frauen, Männer und Kindern streiten sich die Experten, werden aber mit 1,7 Mio. bis 3 Mio. angegeben.

Lange hat es gedauert bis sich das Land von den Gräuel der Jahre 1975 bis 79 einigermaßen erholt hat und es waren die Vietnamesen die Kambodscha von den Roten Khmer befreit haben, während der Westen lange tatenlos zusah. Erst in diesem Jahrzehnt gab es erstmals freie demokratische Wahlen und auch Dank einer größtenteils buddhistischen Gesellschaft eine positive, freundliche Stimmung unter den Leuten.

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Die Hälfte der Einwohner des Königreichs Kambodscha sind heute unter 17 Jahren und jährlich werden es 300.000 mehr. Die Analphabetenrate liegt bei über 20% - jeder fünfte kann also nicht lesen und schreiben! Ein großes Problem für das Land, aber auch kein Wunder, denn Kinderarbeit ist hier immer noch alltäglich und allgegenwärtig.
Generell: eines der Dinge die mich an Kambodscha erinnern werden, sind die vielen Kinder. Überall wo man hinkommt, rufen einem Kinder begeistert ein ‘Hallo’ zu und überschlagen sich fast vor Freude wenn man ihnen ihre Aufmerksamkeit schenkt und zurück grüßt. Man wird natürlich auch sehr oft von Kindern angebettelt und angesichts zwei großer Kinderaugen die einem gegenüberstehen, fällt es wirklich sehr schwer ihnen nichts zu geben – zumindest kein Geld. Leider stellt das ein weiteres Problem in der Armutsspirale da. Solange bettelnde Kinder von Touristen Geld bekommen, werden die Eltern ihre Kinder auf die Straße und nicht in die Schule schicken. Somit ist die Nation wieder auf Außenhilfe angewiesen und die Zukunft einer ganzen Generation  zerstören.

Um nicht nur von weniger schönen Dingen zu berichten, Kambodscha kann mit einigen sehr sehenswerten Orten aufwarten. Als Herz und Seele von Kambodscha werden die Tempel von Angkor oft bezeichnet und als Reisender wird man wohl kaum daran vorbeikommen, dieses Weltwunder bzw. UNESCO Weltkulturerbe zu besichtigen. Diese faszinierenden, architektonischen Meisterleistungen bilden die größte Tempelanlage der Welt, die nach und nach in den Jahren 802 bis 1432 erbaut wurde. In diesen Tagen gab es hunderte davon in unglaublichen Variationen und Größen, übrig geblieben sind zumindest noch mehrere Dutzend die besichtigt und erforscht werden können. Erforscht insofern, da besonders die abgelegenen Tempelanlagen mitten im Dschungel zu finden sind und Absperrungen oder Verbotsschilder die den Zutritt versperren könnten sind hier ein Fremdwort. Gerade mal ein schmaler Trampelpfad führt quer durch manche Anlagen und es ist  (noch) einfach möglich seine eigenen Wege durch diese geheimnisvolle Welt zu bahnen – und vor allem aus dem Staunen gar nicht mehr raus zu kommen.
Auf das Aufwändigste gestaltet und verziert dürfte das meiste dort mal gewesen sein, leider sind nicht mal mehr dreiviertel der Kunstschätze vorhanden. Sie sind zum Teil von den Roten Khmer zerstört oder den frühen Eroberern zum Opfer gefallen. Man muss dazu sagen, dass die Tempelstadt  für Jahrhunderte in Vergessenheit geraten war und erst in den letzten zwei wieder entdeckt wurde.
Ankor Wat ist der bekannteste und zentralste Tempel an dem laut Inschriften damals 80.000 Menschen alleine für die Instandhaltung des, für damalige Verhältnisse, technischen Wunderwerks beschäftigt waren. Laut Aufzeichnungen gab es auch 615 TänzerInnen, ich nehme mal an zur Belustigung. Etwa ein Vorläufer unserer Party-Kultur ? ;-)

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Eine ganz andere Besonderheit des Königreichs sind die verschiedenen Naturlandschaften.
Die unberührten Cardamon Bergen im Westen des Landes, mit ihrer Dschungel-Vegetation bilden den zweitgrößten unberührten Regenwald in Südostasien. Sie zeichnen sich durch ihre Tierwelt aus in der noch wenige Tiger, wilde Elefanten, ‘Siamese’ Krokodile und seltene Schildkröten zu finden sind.
Ein einzigartiges Ökosystem und größter Süßwasser Speicher in Südostasien ist im Tonlé Sap Lake zu finden. Gespeist vom riesigen Mekong Fluss, in dem übrigens noch Süßwasser Delphine anzutreffen sind, und je nach Monsun schwankend, verändert der See seine Fläche jährlich von 2.500 km2 auf 13.000 km2 bzw. seine Tiefe von 2 m auf bis zu 10 m. Als Phänomen wird auch bezeichnet, dass die Flussrichtung im Laufe des Jahres umgekehrt wird.
Die Menschen haben sich dementsprechend der Gegebenheiten angepasst und leben unter einfachsten Umständen in Schwimmenden Dörfern oder auf Pfahlbauten entlang der Ufer.

Für Strand-Liebhaber bietet Kambodscha an der Westküste tropische, zum Teil einsame Küstenabschnitte im Ostblock-Style. Wer nicht gerade auf der Suche nach Party-Life, Luxus Ressort und westlichem Standards ist wird hier in der Trockenzeit sicher gefallen. Tourismus besteht hier hauptsächlich von den reichen Einheimischen, die aus der Hauptstadt Phnom Penh übers Wochenende anreisen.
Die vorgelagerten Inseln wie zum Beispiel Koh Kong Island sind teil des Naturschutzgebietes und lassen so manchem 68er-Hippie das Herz höher schlagen. Anstelle großer Hotelanlagen sind hier (noch) einfache Holzhütten mit idyllischer Atmosphäre neben türkisem Wasser zu finden.
Eine Besonderheit, die so einzigartig ist, dass ich sie noch erwähnen möchte ist der Bambus-Zug  (frei übersetzt) von Battambang. Wobei Zug nicht ganz im herkömmlichen Sinne verstanden werden darf, denn das einzige was der Bambus-Zug mit einem Zug nach westlichem Verständnis gemeinsam hat, ist, dass er auf Schienen läuft und einen Motor hat.
Wie schon der Name verrät handelt es sich tatsächlich um ein Gefährt aus Bambus (was bekannterweise sehr fest und strapazierfähig ist) mit Metall-Rädern und einem Rasenmähermotor der seine Kraft direkt über einen einfachen Keilriemen (ohne Getriebe versteht sich) auf die Räder überträgt. Zum Anfahren wird der Motor mittels einem Besenstiel nach hinten gezogen um den Keilriemen zu spannen und so wird das Gefährt quietschend in Bewegung gesetzt. Der Verschleiß an Keilriemen konnte mir zwar keiner sagen, aber man hat mir mitgeteilt, dass sich die Einheimischen über einen geschenkten alten Keilriemen sehr freuen.
Der Gewichtsfaktor der gesamten Konstruktion ist dabei wichtig, denn auf der einspurigen Schienen-Route läuft der Verkehr in beide Richtungen und zwar ständig. Bei Gegenverkehr wird eine Plattform in Kürze komplett zerlegt und nach passieren wieder zusammengebaut. Wer dabei immer den Vorrang hat hab ich nicht ganz durchschaut, offensichtlich hat man uns als Touris freundlicherweise die Vorfahrt gegeben.
Eigentlich werden die Norris, wie sie die Einheimischen nennen, zum Gütertransport verwendet um die abgelegenen Dörfer zu versorgen oder die Reisernte auf die Märkten zu transportieren. Nun, mit Geld kann man viel bewegen und so hat man uns mit einem 20km/h schnellen Norri ins nächste Dorf und wieder zurück mitgenommen. Hat richtig Spass gemacht!
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Kambodscha (noch) kein Land für Komfort-Touristen mit Vollkasko-Mentalität, aber eines für bleibende Erinnerungen.

Für Interessiert hier noch weitere Info zu Kambodscha auf Wikipedia…