Myanmar (Burma)
Gleich vorweg: Ja, ich habe mich natürlich im Vorhinein ausführlich mit der Frage beschäftigt, ob man Myanmar (ehemaliges Burma) überhaupt bereisen soll oder nicht. Und: inwieweit unterstützt man durch eine Reise, sowie dem damit verbundenen Geld das man ins Land bringt, das faschistisches Militär-Regime. Für mich war vor allem wichtig, mir selbst ein Bild von der Situation Vorort im Land machen und eine eigene Meinung bilden zu können.
Meine Reisegefährten und ich haben uns jedenfalls entschieden, wenn möglich unser Geld nicht in die Regierungskanäle fließen zu lassen und informierten uns dementsprechend. Wir haben es uns auch nicht verkniffen immer wieder danach zu fragen, ob beispielsweise das Busunternehmen oder die Biermarke in Regierungsbesitz sind. Meist hat uns das sogar die Sympathien bei der einheimischen Bevölkerung eingebracht, die sich nur hinter vorgehaltener Hand vorsichtig über politische Themen wie Aung San Suu Kyi äußerten.
Trotz seiner zentralen Lage in Asien hat Myanmar auf den ersten Blick nur sehr wenig mit seinen Nachbarn wie Thailand oder China gemeinsam. Das Straßenbild ist wie eine Zeitreise ins Europa der 60er- und 70er-Jahre und wird bestimmt von hauptsächlich 20 bis 30 Jahre alten, klapprigen, japanischen Autos. Der Straßenzustand gleicht einer nuklearen Katastrophe. Schlaglöcher so groß, dass man ganze Osternester darin verstecken könnte und Geschwindigkeiten die es möglich machen nur die ersten drei Gänge zu verwenden, lassen richtig Abenteuer-feeling aufkommen.
Eigentlich aber traurig wie runter-gewirtschaftet und heruntergekommen das Land von der sorglosen Regierung wurde. Zeitzeugen wie Profanbauten im prunkvollen Kolonialstil zeugen von einer glanzvollen Vergangenheit.
Immer noch glanzvoll hingegen sind die tausenden goldenen Tempel und reichlich geschmückten Pagoden die im ganzen Land zu finden sind. Allem voran die Shwedagon Paya, die heiligste buddhistische Stätte des Landes, die mit einem Alter von etwa 2500 Jahre beziffert wird, glänzt im wahrsten Sinne des Wortes nur so vor Gold. Das Ziel eines jeden buddhistisch gläubigen Burmesen ist es, einmal im Leben hierher zu kommen. Und zu recht, wie folgende Bilder dokumentieren sollen.
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Man kann wirklich viel über dieses ‘Goldene Land’, wie es oft bezeichnet wird, berichten, aber eines steht für mich fest: Die Menschen von Burma waren das eigentliche, überraschende Highlight. Echt oder gespielt, die Leute machen jedenfalls einen fröhlichen Eindruck und behandeln einen immer auf das Herzlichste. In gebückter Haltung mit gefalteten Händen versuchte man unsere Wünsche von den Augen abzulesen, beinahe schon zuviel des Guten.
Viele Erwachsene wollten uns einfach nur die Hand schütteln oder wissen wo wir herkommen und freuten sich über unsere wenigen Sprachkenntnisse wie ein ‘Mingalaba’, das ‘Hallo’ in der offiziellen Landessprache. Für Kinder sind Fremde ohnehin der Anziehungspunkt und so wurden immer wieder meine blonden Haaren auf den Armen auf gebräunter Haut erstaunt studiert.
Es ist eine Vielvölker-Nation in der 135 Sprachen sowie Dialekte gesprochen werden und die leichthändig jeden Karaoke-Sing-Star-Contest gewinnen würde. Sie singen ganz ungeniert und laut vor sich hin, egal wo sie sind und was sie machen; beim Busfahren oder beim Servieren im Restaurant – frei nach dem Motto ‘ich singe mir das Leben schön’. Und mit dieser Einstellung wird fröhlich ans Werk gegangen. Schön, denn weit entfernt von Globalisierung haben die Menschen ihren eigenen Stil entwickelt oder beibehalten.
Vom großen Branding multinationaler, westlicher Konzerne ist in Burma wenig zu sehen, ebenso hört man keine westliche Musik im Radio. Irgendwie gar nicht so schlecht wie wir meinten.
Die Frauen malen sich Goldfarbe ins Gesicht, während die Männer hauptsächlich immer noch ihren traditionellen Longi tragen, eine Art Wickelrock der je nachdem elegant zum Hemd oder lässig zum T-Shirt kombiniert wird. Spaßeshalber haben wir uns auch einen Rock zugelegt und die Einheimischen hatten wiederum ihren Spaß uns zu zeigen wie man ihn traditionell knotet und trägt.
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Sicher eines der unvergesslicheren Erlebnisse war eine Bike-Tour mit meinen Reisegefährten Rogelio (Frankreich) und Stefan (Deutschland) am Inle Lake. Eigentlich wollten wir nur ein wenig die Gegend mit dem Fahrrad erkunden und eventuell in den heißen Quellen am Westufer des Inle Lakes baden. Irgendwie blieb aber nach dem Mittagessen im Dorf noch genügend Zeit um zu den alten Ruinen der Inthein Tempel zu radeln, was wir uns kurzerhand zum Ziel machten. Ein Trampelpfad durch den Dschungel, vorbei an den Pfahlbau-Dörfern und Reisfeldern am Westufer, strampelten wir lustig drauf los. Auch die anfänglichen Schlammlöcher konnten uns nicht stoppen, einfach Beine hochhalten und mit Schwung durch – mal schaun wie tief die sind. Irgendwann wurde der klebrige Lehm so viel, dass sich die Reifen nicht mehr drehen wollten und die Flip-Flops stecken blieben. Ein fortkommen wie man es eher in Albträumen kennt, wenn man einfach nicht vom Fleck kommt. Der Pfad wurde immer unwegsamer bis irgendwann ohnehin nicht mehr an ein fahren zu denken war. Einheimische die wir immer wieder nach dem Weg fragten machten große Augen, als sie uns mit den Zweirädern vorbeiziehen sahen. Aus den geschätzten fünfzehn Kilometern wurden mehrere Stunden, die wir laufend damit verbrachten den Dreck von den Rädern zu kratzen, damit eine Rollbewegung der Reifen möglich war. Sogar die langsamen Ochsengespanne haben schon zum Überholen angesetzt. Irgedwann schien die Tempel zu erreichen eher ausichtslos, ebenso hätte uns ein Umkehren auf dem selben Weg nur wenig Freude bereitet. Wir beschlossen also das Feuchtgebiet, welches uns von und den Dörfern am Seeufer trennte zu durchqueren, und wenn möglich ein Boot über den See zurück zum Hotel zu bekommen.
Das Wasser bis über die Knie und die Fahrräder im Schlepptau ging es ans Durchwaten der Bewässerungskanäle entlang von Reisfeldern mitten durchs Sumpfgebiet, vorbei an Daumen-dicken Spinnen, die dort hier ihre Netze gespannt haben. Während abwechselnd jeder von uns mal im tiefen Schlamm seine Sandalen verloren hat oder sein Fahrrad nicht mehr aus dem Morast zu zerren war, ging die Sonne unter und die ohnehin kurze Dämmerung bald in eine Stockfinsternis über, in der man kaum seine eigene Hand vor dem Gesicht sehen konnte.
Die ersten Häuser des Dorfes zum Greifen nahe, standen wir schließlich vor einem tiefen Wasserlauf, dessen Überquerung nicht ohne Schwimmbewegungen zu machen gewesen wäre. Nach einigen Rufen und Herumgefuchtel mit der Taschenlampe, kamen schließlich ein paar Einheimische die uns bei Queren mit ihrem Ruderboot behilflich waren.
Vorerst wurden wir ins Haus gebeten, wo wir uns (am Fluss) waschen konnten und uns zu Essen und Trinken angeboten wurde. Rund um die Reismatte, im Wohn-Schlaf-Ess-Raum, auf der wir saßen, hatten sich im Nu auch die Nachbarschaft eingefunden. Unsere Ankunft hatte sich offenbar schnell herumgesprochen. Mit Wörterbüchern und Schauspielerischen Versuchen unterhielten wir uns bei heißen Getränken und Kuchen der uns gereicht wurde und wir staunten immer wieder über die Gastfreundschaft und Aufmerksamkeit die uns entgegengebracht wurde.
Nach einiger Zeit traf der Onkel mit dem Motorboot ein, der uns zurück ans andere Ufer des See bringen kann.
Bei sternenklarem Nachthimmel ging dann die einstündige Bootsfahrt mit unseren Fahrrädern im Gepäck zurück ins Quartier, wo schon Katie (England) und Kerri (Kanada) auf uns warteten.
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Die Uhren ticken in Myanmar wirklich anders. Die Zeitverschiebung im Landeanflug von Thailand her beträgt nur 30 Minuten und auch sonst scheinen die Uhren manchmal stehen geblieben zu sein. Ein 20 Jahre alter Mittelklasse Gebrauchtwaren (z.b. Toyota) kostet etwa 40.000 US$, und für ein Mobiltelefon muss ein Burmese schon mal ein- bis zweitausend US$ hinblättern. Gar nicht so einfach, denn die größte Banknote des Kyats ist gerade mal 75 Cent wert. Statussymbole die sich hier nur die Oberschicht leisten kann. Geldautomaten gibt es im übrigen nicht, man muss alles in Bar für die Reise mit ins Land bringen.
Bis auf wenige Ausnahmen sind die Autos rechts-gesteuert obwohl der Straßenverkehr auch rechts läuft, ein Kuriosum, seit, wie man mir erklärte, die Militärregierung 1988 kurzerhand den Linksverkehr abgeschafft hat.
Für mich steht fest: Es war sehr schön, es hat mich sehr gefreut und ich werde wieder nach Myanmar kommen. Bleibt nur noch auf ein baldiges Ende des Militär-Regimes zu hoffen, aber vielleicht bringen die nächsten Wahlen 2010 ja ein Wende.
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Zusatzinformation für Interessierte: